Der letzte Arbeitstag

Ich habe nicht gut geschlafen. Ein komisches Gefühl macht sich langsam breit in mir. Eine Mischung aus Vorfreude, Respekt (um nicht Angst sagen zu müssen), Müdigkeit, Ungeduld, Erleichterung, Glück, Dankbarkeit und Abschied.
Vorfreude muss ich glaub ich nicht gross erklären, diese habe ich schon von allem Anfang an – aktuell Vorfreude im Endspurt – so zu sagen.
Respekt. Das sind zum Beispieldie Überlegungen, die ich mir mache bezüglich der aktuellen Schneesituation in Kalifornien. Oder ob ich mich wirklich genügend vorbereitet habe. Respekt auch vor dem Unbekannten und vor Widrigkeiten.
Müdigkeit. Damit meine ich die schier unendlichen Vorbereitungen und Planungen die für so ein solches Unterfangen nötig sind. Müdigkeit mich mit Material und Ausrüstungsgegenständen zu befassen. Und doch lasse ich mich immer wieder dazu hinreissen, meine Bereits getroffene Auswahl zu hinterfragen. Ich muss mir immer wieder einreden, einfach mal mit der vorhandenen Konfiguration zu starten und zu schauen, wie die sich bewährt. Ich kann bei Bedarf immer noch vor Ort Anpassungen vornehmen.
Ungeduld. Ja klar! Dass es endlich los geht! Ich bin doch bereit, ich will starten!
Erleichterung. Über alles was erledigt und abgeschlossen ist. Erleichterung, dass ich nun mein PCT Permit habe (siehe den vorgängigen Blog Beitrag).
Glück, dass mein Wunsch in Erfüllung geht. Glück, dass ich überhaupt ein Permit ergattern konnte und dann noch eines mit meinem Wunsch-Startdatum (Damals wusste ich ja noch nicht, dass 2023 ein Reckort Schneejahr sein wird). Das Glück gesund sein zu dürfen (mal abgesehen von den kleinen Bresten und Gebrechen,die nach dem Erreichen des 50. Lebensjahr halt so vor kommen 😉). Glück über die nötigen Mittel zu verfügen.
Dankbarkeit. Ich bin dankbar für die Unterstützung, die ich von allen Seiten erfahren durfte. Das ist allen voran mein Ehemann, der mich gewähren liess und mich nicht von meinem Vorhaben abzubringen versuchte. Oder mein Arbeitgeber, welcher mir den unbezahlten Urlaub gewährt hat. Dankbar für die Beratung, die ich im Fachhandel erhalten habe. Dankbar für alle, die mein PCT Gerede ausgehalten und Interesse gezeigt haben.
Abschied. Ich habe nicht gerne Abschied. Und wenn, dann am liebsten kurz und schmerzlos.

Mein letzter Arbeitstag (vor meinen langen Urlaub). Das bedeutete viel Abschied nehmen. Erklärungen zu meinem Abenteuer waren eigentlich nicht mehr nötig. Die habe ich im letzten halben Jahr wohl ausreichend geliefert.
Eigentlich hatte das Abschied nehmen schon vor einer Woche begonnen. „Ich sehe dich nicht mehr vor deinem letzten Arbeitstag.“ „ Also dann, bis im November!“. „Ich bewundere dich, was du vor hast.“ „Du hast so was von Recht, dass du dies machst“. „Lieber Du als ich, das währe nichts für mich“. „Am liebsten würde ich mit dir kommen!“ „Ich begleite dich in Gedanken“. „Häb Sorg, und lass dich nicht von den Bären auffressen!“…….
Es ist beinahe unglaublich, wieviele sich Sorgen machen bezüglich möglicher Begegnungen mit Bären. Dabei ist bisher noch kein einziger PCT Thru-Hiker durch einen Bär ums Leben gekommen. Es gab bisher 16 Todesfälle auf dem PCT. Nach Häufigkeit geordnet sind dies, Abstürzen (6), Hitzschlag 🥵 (3), Ertrinken (2), vom Auto überfahren (2), von einem umfallenden Baum erschlagen (1), Höhenkrankheit (1) und 1 Todesfall unbekannter Ursache. Niemand wurde Opfer aufgrund von Unterkühlung, eines Blitzschlages, eines Bären, Klapperschlange, Berglöwen oder Spinne. Es wurde auch niemand von Aliens entführt und misshandelt 👽🛸👾.
Ich habe am meisten Angst davor, während eines Resuply von einem Amokläufer in der Stadt erschossen zu werden. Ich habe Respekt. Or der aktuellen Schneesituation und vor der dadurch möglichen gefährlicheren Flussdurchquerungen. Aber nicht vor den Bären. Solange ich mich an die diesbezüglich Verhaltensregeln halte wird mir nichts lebensbedrohendes geschehen.

Und nun ist es Tatsache. Mein letzter Arbeitstag ist vorbei. Abschied, Dankbarkeit, Glück, Erleichterung, Ungeduld, Müdigkeit, Respekt und Vorfreude! …….